Mythen und aktueller Stellenwert der Öffentlichkeitsarbeit
Public Relations (PR) und Media Relations:
Chancen und Abgrenzung zum Marketing
Gastbeitrag von Antje Kassel, Cassel Communications »
Unterschied Marketing vs Public Relations
Marketing spricht den Kunden und Konsumenten direkt an, mit dem Ziel die Verkaufszahlen und die Marktanteile eines Produktes zu halten, zu steigern und zu maximieren. Public Relations und Media Relations können das Marketing ergänzen und unterstützen, indem sie die relevanten Zielgruppen über Ihr Produkt und Unternehmen informieren und Interesse und Nachfrage für das Produkt schaffen. Wo das Marketing gezielt und aggressiv auftreten kann hat die Public Relations die Öffentlichkeit, die sogenannten internen und externen Stakeholder, als Ansprechpartner. Die Massenmedien Presse, Hörfunk, Fernsehen und Online-Medien sind ein wichtiger Teil der PR.
Aufgrund der immer noch hohen Auflagen und Einschaltquoten von Zeitungen und Sendungen können Sie auf sehr glaubwürdige Art und Weise Ihre Kunden und Geschäftspartner ansprechen. Ein positiver, sachlicher Artikel oder Beitrag in einem guten Medium erhöht Ihre Reputation und belegt die Bedeutung Ihres Produkts durch die Journalisten, die es recherchiert und gewissermaßen überprüft haben. Journalisten lassen sich in der Regel ungern vor einen Karren spannen, sind aber dankbar, wenn Sie für ihre Themen und Fragen ein offenes Ohr finden.
Die Grenzen zwischen PR und Marketing werden dabei zunehmend fließender, ähnlich dem Prozess, der seit einigen Jahren die Massenmedien verändert, die Grenzen auflöst und das Monopol der Journalisten auf alleinige Berichterstattung aufgehoben hat. Informieren und berichten kann heute jeder Mensch, der über ein entsprechendes Kommunikationsgerät, wie ein Smartphone oder einen Internetanschluss, verfügt. Marketing und PR sollten Einvernehmen haben, in der Definition von Botschaften und Zielgruppen, die dann aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen, sich ergänzenden Werkzeugen adressiert werden.
Wie PR dem Marketing helfen kann
Die nachfolgenden Abschnitte beleuchten, wie PR die produktspezifische Kommunikation unterstützen und die Absatzförderung ergänzen kann.
1) Lokale Reputation ausbauen und verbessern
Ein positiver Artikel in der Lokal- oder Regionalpresse macht Ihr Produkt bekannt und erhöht die Reputation Ihres Unternehmens. Sie stellen eine Innovation oder Methode vor und zeigen damit, dass Sie in der Region verankert sind und Verantwortung übernehmen etwa für die wirtschaftliche Entwicklung der Region oder als Arbeitgeber. Sie können den Schneeballeffekt des Artikels nutzen, da heute so gut wie jeder Artikel auch in der Online-Ausgabe des Mediums läuft und bei Suchanfragen berücksichtigt wird. So erhöht sogar ein Artikel in der Printausgabe ihr Suchmaschinen-Ergebnis im Internet. Denn sie liefern eine aktuelle Information.
Außerdem verfolgen andere lokale Medien regelmäßig die örtliche Presse und nehmen auch gern Themen auf für die eigene Berichterstattung in Radio, TV oder anderen Online-Medien. Mit vergleichsweise kleinem Aufwand und null Kosten – bis auf Ihre Zeit – erreichen Sie eine sehr hohe Wirkung in Höhe der Auflage oder Reichweite der Medien. Die Glaubwürdigkeit ist dabei um ein Vielfaches höher als die von bezahlten Anzeigen.
2) Überregional Bekanntheit und Reputation erreichen
Auf einen ausgewogenen, eventuell sogar positiven Artikel in einer renommierten überregionalen Zeitung wie Süddeutsche, FAZ oder Welt können Sie stolz sein. Er belegt, dass Sie mit Ihrem Thema beachtet werden und ihm besondere Bedeutung zugemessen wird. Damit dies Realität wird, brauchen Sie eine bahnbrechende Erfindung, eine Publikation mit hohem Impact-Faktor oder einen prominenten Kunden oder Patienten. Auch eine Veranstaltung, eine Pressekonferenz oder ein Kongress können geeignete Aufhänger sein für engagierte Media Relations. Mit einer Pressemitteilung oder auch persönlichen E-Mail können Sie relevante Medien ansprechen. Vielleicht gelingt es Ihnen auch, einen Medizin- oder Wissenschaftsjournalisten zu einem Hintergrundgespräch einzuladen. Wichtig ist, dass die Kommunikation sachlich, nicht werblich und im Rahmen des Heilmittelwerbegesetzes verläuft.
3) Krisenkommunikation
Motto: Eine positive Beziehung zur lokalen Presse ist eine gute Vorsorge bei Produkt- oder Unternehmenskrisen.
Insbesondere die Entwicklung von medizintechnischen oder pharmazeutischen Produkten ist hohen Risiken ausgesetzt. Es ist denkbar, dass Sie Ihr Produkt vom Markt nehmen müssen oder es in der Produktion zu einem Unfall kommt und damit öffentliches Interesse entsteht. Wenn Sie einen Ansprechpartner bei den lokalen Medien haben und dort gut bekannt sie, haben Sie auf jeden Fall einen großen Vertrauensvorschuss und gute Voraussetzungen, den etwaigen Krisenfall möglichst schnell und auf Basis gegenseitigen Vertrauens vom Eis zu bekommen. Wenn Sie bis dahin die lokale Presse ignoriert haben, werden die Journalisten – je nach Schwere der Krise – umso hartnäckiger versuchen herauszufinden, was bei dem unbekannten Unternehmen passiert ist. Das Investment in gute Beziehungen zu den Medienvertretern zahlt sich also kurz-, mittel-, und langfristig aus. Bedenken Sie, dass mit einer einzigen Meldung einer Nachrichtenagentur wie Deutsche Presseagentur (dpa) Ihr Unternehmen aufgrund der Schnelligkeit der modernen Kommunikation in kürzester Zeit in die bundesweiten oder auch internationalen Schlagzeilen geraten kann. Das Vertrauen in Ihr Unternehmen und Ihre Produkte ist das höchste Gut, das Sie schützen müssen.
4) Politische oder gesellschaftliche Themen vorantreiben
Wenn Sie zum Beispiel von einer neuen nationalen oder EU-weiten Gesetzgebung oder Regelung betroffen sind oder selbst auf einen Missstand aufmerksam machen wollen, haben Sie die Möglichkeit, den Journalisten Ihre Position mit den dazugehörigen Argumenten darzustellen. Sofern ein öffentliches Interesse an diesem Thema besteht werden Sie in den Medien auch Gehör und Resonanz zu finden. Dies kann zum Beispiel durch eine Pressemitteilung oder ein Hintergrundgespräch mit einem für dieses Thema relevanten Journalisten stattfinden. Sie können damit zum Meinungsbildungsprozess beitragen und nehmen selbst eine aktive Rolle ein, mit der Sie sich als dynamischer Unternehmer darstellen. Das ist immer besser, als sich in der Opferrolle zu fühlen.
5) Alle Jahre wieder
Sonderausgaben und Ratgebersendungen mit wiederkehrenden Themen nutzen um über das eigene Thema zu informieren und sich als Experte zu positionieren.
Rückenschmerzen, Arthrose, Gelenkersatz – die Reihe von Gesundheitsthemen lässt sich lange fortsetzen. Regelmäßig, oft ein- bis zweimal jährlich, berichten regionale und überregionale Medien über Gesundheitsthemen. Auch Frauen-, Lifestyle- und Sportzeitschriften interessieren sich für Gesundheitsthemen. Geo und Focus geben komplette Themenhefte heraus. Auch wenn Sie hier in der Regel Ihr Produkt nicht namentlich unterbringen können, da nach Pressekodex keine Produktwerbung gestattet ist, können Sie sich als Experte an der Diskussion beteiligen und neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung beitragen. Sie können allgemeine Empfehlungen und Tipps geben, worauf man als Patient achten sollte bei einer speziellen gesundheitlichen Fragestellung oder Indikation.
Auflagen und Einschaltquoten im Überblick
Zu den auflagenstärksten Zeitungen in Deutschland zählen die Bild/ B.Z., die Süddeutsche Zeitung (SZ), die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und das Handelsblatt. Die Bild/ B.Z. liegt mit fast 1,5 verkauften Exemplaren eindeutig vorn, gefolgt von SZ mit etwa 327.000 Zeitungen, FAZ mit 227.000 Exemplaren und Handelsblatt mit 133.000 Zeitungen (Quelle Statista). Die Nachrichtenmagazine liegen dabei noch weit über den Auflagen der Tageszeitungen (Spiegel 719.000, Stern 466.000, Focus 364.000; Quelle Statista). Die Tagesschau der ARD hat täglich rund 5 Mio. Zuschauerinnen und Zuschauer, die heute-Nachrichten im ZDF zählen circa 3,54 Mio. Rezipienten. Die Medizinsendungen liegen mit ihren Quoten deutlich darunter, werden aber auch gezielter angesehen und als Informationsquelle bei Gesundheitsthemen sehr geschätzt.
Fazit
Auch wenn sich das Medienverhalten verändert, können Sie über die Zeitungen, Nachrichtenmagazine, Radio und Fernsehen immer noch sehr hohe Zielgruppen erreichen. Hinzukommt, dass die Glaubwürdigkeit Ihrer Information und Botschaft sehr hoch ist, da es nicht leicht ist, in den etablierten Medien mit seinem Anliegen durchzudringen. Dazu bedarf es einer kontinuierlich professionellen und auf Inhalt ausgerichteten PR und Media Relations Aktivität.
Public Relations und damit auch Media Relations wandeln sich permanent. So hat der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) im September 2019 beschlossen, sich in Bundesverband der Kommunikatoren (BdKom) umzubenennen. Das bedeutet, dass es aufgrund der veränderten medialen und gesellschaftlichen Herausforderungen und der Digitalisierung von Unternehmenskommunikation insgesamt nicht mehr ausschließlich um die Ansprache der Journalistinnen und Journalisten geht. Kommunikation bedeutet heute, alle Kommunikationskanäle zu nutzen, mit denen Sie Ihre Zielgruppen erreichen und den größten Nutzen für Ihr Unternehmen und Ihre Produkte erzielen.
Wie beim Erlernen einer Sprache oder neuen Sportart sollte man etwas Zeit investieren in Media Relations. Denn es braucht Zeit und regelmäßig neue interessante Informationen um sich einen Namen zu machen und sich abzuheben aus der Menge an Informationen und Pressemitteilungen, die tagtäglich über Pressedienste, Verbände und aus Unternehmen die Redaktionen und Journalisten erreichen. Es braucht Zeit, um gute Relations, also gute Beziehungen, zu Journalisten aufzubauen. Hilfreich ist es dabei auch, insgesamt einen stimmigen und überzeugenden Auftritt zu haben von der aktuellen Internetseite mit aktuellem Content bis hin zu einer freundlichen, kompetenten Person am Telefon, die den Anruf des Journalisten freundlich annimmt und nicht vorsichtshalber abwimmelt. Die Grenze von Online und Offline ist passé. Was heute analog verbreitet wird, erscheint auch in der digitalen Ausgabe des Mediums. Von daher ist Investment in Media Relations auch Investment in die eigene Online-Präsenz und Verbesserung der Suchmaschinenergebnisse.
Marketing und Media Relations können sich auf exzellente Weise ergänzen. Wo Media Relations den Boden für ein Thema oder Produkt vorbereitet hat, kann Marketing dann gezielter ansprechen und zu einer Transaktion motivieren.
Zum Weiterlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Medienarbeit
https://de.statista.com/
https://www.daserste.de/programm/quoten.asp